Eyolf Dale Interview

Eyolf Dale Interview

Also, ich bin Eyolf, ich mache Musik und spiele Klavier. Ich lebe in Oslo, Norwegen, einer Stadt, die mir sehr am Herzen liegt. Sie hat eine sehr lebendige Atmosphäre, und ihre pulsierende Musikszene ist eine großartige Inspirationsquelle. Meine ersten Auftritte hatte ich schon als Teenager. Von Hochzeiten und Cocktailpartys bis hin zu Auftritten mit Jazz- und Rockbands habe ich alles mitgenommen. Dabei bin ich wirklich auf den Geschmack gekommen. Und nachdem ich einmal erlebt hatte, wie viel Spaß es macht, meine eigene Musik vor einem Live-Publikum zu spielen, gab es kein Zurück mehr! Fast zwanzig Jahre und Tausende von Konzerten später ist der Drang, Musik zu machen und aufzutreten, immer noch derselbe, ob als Solist oder in Ensembles. Die Cocktailpartys lasse ich mittlerweile aber bleiben.

Wie schaffst Du normalerweise Musik, und wie stellst Du eine Verbindung zu Deinem Publikum her?

Seitdem ich im Alter von sechs Jahren angefangen habe, Noten und Akkorde auf dem Klavier auszuprobieren, ist das Spielen und Improvisieren in völliger Einsamkeit für mich wie eine Heimat und ein natürlicher Ausgangspunkt für Kreativität. Es ist anstrengend, aber gleichzeitig unglaublich bereichernd, wenn sich dann alles zusammenfügt. Bei uns zu Hause stand eine kleine Statue von Edvard Grieg auf dem Klavier und sah jedem zu, der versuchte, das Instrument zu spielen. Rückblickend hat das wohl ursprünglich das Bild des romantischen Komponisten geprägt – die Vorstellung, dass die Magie im Kopf einer Person entsteht, eine unantastbare schöpferische Leistung. Als Jazzmusiker und Improvisator weiß ich inzwischen, dass diese Vorstellung nicht ganz der Wahrheit entspricht. Wir sind eine auf Zusammenarbeit ausgerichtete und wahrnehmungsfähige Spezies, und nichts wird in einem Vakuum geschaffen. Wir werden von den Menschen beeinflusst, denen wir begegnen, mit denen wir Zeit verbringen und mit denen wir kreativ sind. Dieses Bewusstsein ist für Künstlerinnen und Künstler entscheidend, denn wir alle gehören einer Gesellschaft an, in der wir Dinge teilen. Wir machen dort weiter, wo jemand anders aufgehört hat, und fügen Dinge zusammen, die eigentlich nicht zusammengehören. Für mich ist das Kunst im eigentlichen Sinne.

Durch Technologien und soziale Medien können wir ein breites Publikum erreichen und mit den Zuhörern interagieren. Welche Erfahrungen hast Du bei der Zusammenarbeit mit der Initiative #YamahaLiveFromHome gemacht?

Ich fand es faszinierend. Beim Solo-Klavierspiel ging es mir immer schon darum, eine Verbindung zum Publikum herzustellen, den Raum zu spüren und in einer Art Zusammenspiel mit dem Instrument, dem Raum und den Zuhörern unmittelbar ein dramaturgisches Erlebnis zu schaffen. Natürlich haben mir das Publikum und die Aufregung rund um ein Konzert gefehlt, aber es war trotzdem eine tolle Erfahrung.

Welche Rolle spielt Musik in Deinem Leben?

Für mich ist es einfach unmöglich, Leben und Musik zu trennen. Das Leben braucht Musik, und die Musik braucht ein gelebtes Leben. Im Idealfall sollten Improvisieren und Spielen wie Atmen sein – die natürlichste Sache der Welt – und wie eine Erweiterung des Körpers funktionieren. Ich suche nach dem, was real ist, nach etwas Wahrem und Ehrlichem. Im Allgemeinen versuche ich in allem, was ich tue, diese Wahrheit zu finden, und alle meine eigenen Projekte basieren darauf. Das ist natürlich ein hoher Anspruch, und wir sind alle nur Menschen. Deshalb habe ich mich im Laufe der Zeit auch in den Prozess verliebt. In die Suche. Die Entscheidungen und Wege, die ein Improvisator auf der Suche nach dem großen Schatz wählt, der Moment, in dem sich alles einfach perfekt anfühlt, hat an sich schon einen hohen Wert. Die Note, die sich in einem Moment seltsam oder vielleicht falsch anfühlt, aber im nächsten Moment genau die richtige ist!

Dank des Internets gibt es heute eine unbegrenzte Auswahl an Videos, Musik und Lehrmaterial. Das führt manchmal zum so genannten „Auswahlparadoxon“, das es uns erschwert, uns auf das zu konzentrieren und das auszuwählen, was wir spielen und hören möchten. Was würdest Du Musikliebhabern empfehlen, die ihr Wissen erweitern möchten?

Der kommunikative Aspekt der Technologie hat mit Sicherheit die Art und Weise verändert, wie das Publikum Musik wahrnimmt. Es kann nun intensiver mit dem Inhalt und manchmal auch mit dem Interpreten selbst interagieren. Das ist eine aufregende Veränderung, und es ist inspirierend zu sehen, wie neue Künstler neue Formate aufgreifen. Die meisten Künstlerinnen und Künstler im Bereich Jazz/zeitgenössische Musik investieren allerdings nach wie vor viel Arbeit in das Albumformat. Auch wenn die meisten Streaming-Dienste bevorzugt Playlisten und Singles anbieten, haben die Künstler die Musik als einen Zyklus von 40-60 Minuten kreiert. Deshalb möchte ich jedem ans Herz legen, sich Alben als Ganzes anzuhören! Dabei kann man wahre Schätze entdecken. Mir fällt auf, dass viele Lehrvideos schnelle Lösungen für bestimmte Themen und Aufgaben bieten. Da ich selbst Lehrer bin, erkenne ich die Logik und verstehe die Mechanismen dahinter. Es ist völlig normal, dass man Hilfe leisten und Probleme lösen will. Aber in der Kunst geht es nicht nur um Lösungen und die Verbesserung der Fertigkeiten. Die Kunstfertigkeit ist ein wesentlicher Teil des Spielens, aber letztendlich ist sie genau das– ein Teil davon. Der andere Teil, nämlich wie der Spieler eine innere Vision und eine innere Stimme mit dem Instrument verbindet, ist etwas schwierig zu vermitteln. Man muss nach Momenten suchen, in denen die Zeit stehen bleibt und die Klänge sich wahrhaftig anfühlen!

Falls Du demnächst Projekte oder Plattenveröffentlichungen geplant hast, die Du uns mitteilen möchtest, füge die entsprechenden Links bitte unten hinzu. Spotify-Links oder sonstige Links

Im Moment stelle ich mit dem Schlagzeuger Audun Kleive und dem Bassisten Per Zanussi gerade eine neue Aufnahme meiner Kompositionen als Trio fertig. Wir sind alle begeistert davon und freuen uns auf die Veröffentlichung im Februar 2021! Außerdem wird im Herbst dieses Jahres mein neu geschriebenes Klavierkonzert für Solo-Pianisten und das Telemark-Kammerorchester uraufgeführt. Eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, sowohl beim Komponieren als auch bei der Aufführung, und ich freue mich schon sehr darauf, die Umsetzung auf der Bühne zu erleben. Ich möchte außerdem zwei aktuelle Alben vorstellen: Eine Zusammenarbeit mit dem Scheen Jazzorkester, „Commuter Report“ https://open.spotify.com/album/07BYoSCpihAfosUNbbLL4r?si=4rfDf0EYTV2Qf5wgDx4hAQ Ein Duo-Album mit meinem langjährigen Mitstreiter André Roligheten, „Departure“. https://open.spotify.com/album/12ISHI4vMVKyDIxdXMHXFI?si=LwfJ-L9yQo-j34oEPh911A

Bitte nenne uns ein Zitat für #YamahaLiveFromHome

Vielen Dank für die Ausrichtung dieser großartigen Initiative, Yamaha, und danke, dass Ihr in diesen unruhigen Zeiten eine solide Plattform für den musikalischen Austausch geschaffen habt!